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Das RZ wird nicht überflüssig

Thomas Wermke im Gespräch

Wie beeinflussen neue Kriterien die Arbeit der RZ-Branche?

Im LANline-Gespräch mit Dr. Jörg Schröper erläutert Thomas Wermke, Bereichsleiter Vertrieb bei Schäfer IT-Systems, wie immer neue Kriterien – etwa Nachhaltigkeit und steigende Energieeffizienz – die Arbeit der RZ-Branche beeinflussen.

LANline: Herr Wermke, zunächst eine kleine Provokation: Unternehmensrechenzentren werden in Zukunft überflüssig. Alles wandert in Cloud. Richtig oder falsch?
Wermke: Klare Antwort: falsch! Das Rechenzentrum wird nicht überflüssig. Es wird auch weiterhin Bedarf an einer modernen und optimierten Rechenzentrumsumgebung geben. Je nach Unternehmens-ausrichtung, Größe und Zweck ist eine individuelle Mischung aus Cloud-Services und stationären Rechenzentren oder Server-Räumen die Zukunft der Unternehmens-IT. Immer wenn es vertrauliche Daten sind, eine Echtzeitverarbeitung, Compliance-Vorgaben oder ganz profan als Wettbewerbsschutz hat das eigene RZ, egal ob im Firmenkomplex oder auch in einer Colocation, den Vortritt.

LANline:Die Grenzen sind aber fließend.
Wermke: Allerdings, und das ist auch kein Geheimnis. Können Unternehmen ihr Angebot von neuen und optimierten bestehenden Anwendungen und Services verbessern und dadurch ihren Kunden einen orts-, zeit- und Device-unabhängigen Zugang bieten, wird die Wahl eher Richtung Cloud oder einer Hybridlösung gehen. Fazit: das unternehmenseigene Rechenzentrum wird mit der Cloud nicht überflüssig. Unternehmen müssen sich aber eine grundlegende Neustrukturierung ihrer RZ-Umgebung und gegebenenfalls auch über dessen Betrieb Gedanken machen. Neue Lösungen wie kompakte, effiziente RZ-Module auf dem Firmengelände oder Colocation On-Site werden hier in Zukunft immer öfter eine Rolle spielen. Dies gilt nicht zuletzt, weil man sich ja auch um das Thema Fachkräfte für den technische Betrieb und regularienkonforme Server-Räume und Rechenzentren kümmern muss.

LANline:Wie reagiert denn Ihr Haus auf die immer drastischeren Anforderungen an die RZ-Infrastruktur in puncto Effizienz auf der einen und Verfügbarkeit auf der anderen Seite?
Wermke: Der Spagat zwischen Effizienz und Verfügbarkeit muss nicht zu einem Widerspruch führen. Der steigende Stellenwert der Energieeffizienz im Hinblick auf die der immer höheren Wärmeleistungen in den einzelnen Racks von oft bis zu 20 Kilowatt und in Einzelfällen auch darüber hinaus, das sind übrigens Leistungen, die der Zentralheizung eines größeren Einfamilienhauses entsprechen, fordern neue flexible, aber auch betriebssichere Lösungen. Dazu kommt eine über den Tag oder die Woche verteilte ungleichmäßige Last der Server. Hier gibt es neben Stellschrauben wie die Erhöhung der Einblastemperatur oder Raumtemperatur oder die inzwischen schon standardmäßig umgesetzte Kalt-/Warmgangtrennung weitere technische Lösungen als Antwort darauf.

LANline: Schlägt sich dies auch in der Technik der Produkte nieder?
Wermke: Schäfer IT-Systems hat mit den Rack-basierenden Cooling-Produkten ein breites Spektrum, um hier unseren Kunden eine konkrete Antwort und Unterstützung geben zu können, gepaart mit unserem 100-prozentigen Wasseransatz. Die Kombination ermöglicht klimafreundliche, effiziente und selbstverständlich redundante Kälteversorgung mit einer großen Spreizung des Leistungsbereichs im Rechenzentrum von 1 kW bis 60 kW.

Gemeinsames Handeln


LANline: Bei den konkreten Einsatzformen gibt es allerdings Unterschiede.
Wermke: Das ist logisch. Grundsätzlich kann man zwischen dezentralen sogenannten Edge-Standorten und zentralen Rechenzentren unterscheiden. Vor allem bei den dezentralen Edge-Standorten bis 50 kW nutzt man oft noch kältemittelbasierende Lösungen auf Basis von R410 und R32. Hier sind vor allem Planer, Hersteller, aber auch Rechenzentrumsbauer in die Pflicht zu nehmen, auf die neuen Anforderungen an Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu reagieren.

LANline: Findet das Umdenken bereits statt?
Wermke: Es wird eine zukünftige Qualitätsaussage und somit auch Wettbewerbsvorteil sein, wenn Anbieter sich den Anforderungen des Markts in Bezug auf Effizienz und Nachhaltigkeit stellen. Schäfer hat hier gemeinsam mit Efficient Energy bewiesen, dass 100 Prozent Wasserkühlung auch im Bereich der Edge-Datacenter möglich sind, und dies noch unter Einhaltung der Vorgaben des Blauen Engels. Diese Lösungen mit komplettem Verzicht auf Kältemittel werden sogar noch von der öffentlichen Hand für den Mittelstand gefördert. Entsprechende Unterstützung bei der schnellen Fördermittelbeantragung gibt es ebenfalls.

LANine: Was soll mit der Abwärme geschehen?
Wermke: Auch der Punkt der Abwärmenutzung in Rechenzentren gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die optimale Flächenausnutzung im Rechenzentrum erfordern neue Klimatisierungskonzepte für Wärmelasten größer 50 kW pro Schrank. Mit unseren Heißwasserlösungen mit Wassertemperaturen von mehr als 50 °C setzen wir tatsächlich neue Standards. Während wir diese direktwassergekühlten Systeme aktuell viel im wissenschaftlichen Umfeld, dem sogenannten High Performance Computing finden, werden zukünftig auch im Rahmen der Blauer-Engel-Anforderungen solche Lösungen in klassischen Rechenzentren an Bedeutung gewinnen. Bei diesen Lösungen müssen wir auch auf die Hersteller von Server-Systemen hinweisen. Es ist wichtig, dass auch hier ein Bewusstsein für Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz vorhanden ist.

LANline: Gemeinsames Handeln ist also dringend nötig.
Wermke: Dies gilt auch intern in den Unternehmen bei der Bewertung der eigenen aktiven Komponenten. Betrachtet man etwa zusätzlich die Möglichkeiten des IT-Remarketings, also des Wiedervermarktens von Server-Systemen, sowie das Refurbishment von IT-Komponenten, öffnen sich weitere elementare Möglichkeiten im schonenden Umgang mit Ressourcen. Schäfer IT-Systems wird sich diesen Themen im Rahmen der Service-Aktivitäten zukünftig intensiv widmen.

LANline:Gibt es überhaupt noch Spielraum für Verbesserungen? Kann ein Unternehmens-RZ – etwa das eines Mittelständlers – denn ähnliche Effizienzwerte wie das Datacenter eines Hyperscalers erreichen?
Wermke: Ja, das ist allerdings sehr wohl möglich. Die Größe allein ist nicht der Garant für Effizienz. Wir gehen sogar so weit, dass Verbesserungen  zwingend notwendig sind. Ein IT-Leiter eines mittelständischen Unternehmens verlässt sich dann auf die Expertise der Branchenspezialisten aus dem Rechenzentrumsumfeld. Es ist also die Pflicht von Planern, Herstellern und Rechenzentrumsbauern, in Richtung Effizienz und Investitionsschutz zu beraten.

LANline: Welche Technik und Produkte bringen den Betreiber weiter in die richtige Richtung?
Wermke: Aktuelle Entwicklungen auf dem Markt zeigen, dass sowohl in der Kälteerzeugung wie auch im Bereich der Elektroversorgung viele Effizienzsteigerungsmaßnahmen möglich sind – und zwar auf Basis von verfügbaren und standardisierten Produkten und Lösungen.

LANline: Was raten Sie Mittelständlern?
Wermke: Wichtig für das Mittelstands-RZ ist es, den Leistungsbedarf zu kennen und neue Wege zu gehen. Technische Lösungen mit einem hohen Fokus auf effiziente Leistungswerte helfen dabei, einen weitgehend automatisierten Betrieb auch im Mittelstand zu ermöglichen. Wir haben wie viele andere Hersteller auch bei den Produkten eine Antwort, zum Beispiel unsere Gesamtlösung von fertig konfigurierten iQdata Edge Computing Racks. Hier verbinden wir modernste Technik auf engstem Raum und bieten unseren Kunden ein Rundumpaket mit höchster Effizienz, und zwar immer mit Fokus auf wassergekühlte Lösungen und dem Anspruch höchster Energieeffizienz.

LANline: Die Standortwahl für Rechenzentren und auch größere Server-Räume wird immer wichtiger. Welche Erfahrungen machen Sie in Ihren Projekten?
Wermke: Als Systemlösungsanbieter kommen wir in den meisten Projekten erst nach einer Standortauswahl hinzu. Es ist demzufolge schwierig, eine klare Aussage zu treffen. Wir nehmen aber vor allem im Mittelstand wahr, dass der Standort möglichst unternehmensnah, als Colocation oder dedizierter Standort, oder auf dem eigenen Campus sein sollte. Im Bereich der Hyperscale-Standorte sehen wir nach wie vor eine Ballung in Städten. Hier ist natürlich an erster Stelle Frankfurt zu nennen. Wir stellen aber auch zunehmend fest, dass Rechenzentren auch an alternativen Standorten in deutschen Großstädten geplant und errichtet werden. Wichtig bei der Standortwahl sind Faktoren wie Erreichbarkeit, Anbindungskosten und Integration ins Unternehmensnetzwerk. Wir verweisen bei Fragen zur Standortauswahl oder -bewertungen auf unsere Partner, die eine große Expertise in diesem Umfeld haben.

LANline: Haben sich Projekte in den vergangenen Jahren grundsätzlich verändert?
Wermke: Wir stellen zunehmend einen Trend der Standardisierung von RZ-Infrastrukturlösungen auf Grund der schnell wachsenden Digitalisierungsansprüche fest. Dies führt dazu, dass die Projektlaufzeiten reduziert werden müssen, um Projektziele zu erreichen. Im Ergebnis gibt es immer mehr Container- oder Modulrechenzentren, da sich durch die Standardisierung der Planungsaufwand und die Projektlaufzeit reduzieren. Auf der anderen Seite wird auf den Anspruch der Individualisierung immer weniger Rücksicht genommen, was auch in der wiedergehenden Kundenentwicklung zu Fehlern und dann Verzögerungen führen kann.

Individuelle Schulungsprogramme zu Normen und Richtlinien


LANline: Gilt das auch für die eingesetzten Lösungen?
Wermke: Wir können sagen, dass unsere Kunden immer mehr Produktstandards setzen wollen. Ziel ist hier sicher die Sicherstellung von gleichbleibender Qualität, aber vor allem auch die Sicherung von Verfügbarkeit. Mit der Produktion made in Germany können wir diesem Anspruch gut gerecht werden. Die Projekte ändern sich aber zunehmend auch durch Compliance-Anforderungen sowie die Abhängigkeit von der IT bei den Geschäftsprozessen. Der Stellenwert beim Bau oder der Sanierung von Server-Räumen und Rechenzentren steigt. Der Augenmerkt liegt nicht mehr nur auf immer größeren und leistungsfähigeren Servern und den Applikationen, sondern inzwischen auch auf einer zeitgemäßen Heimat der IT-Umgebung.

LANline: Spielen Normen wie die EN 50600 dabei eine Rolle?
Wermke: Je größer der Kunde ist, umso häufiger wird die Norm als Kriterium bei Anforderungen und Ausschreibungen herangezogen. Dies ist sicher auch ein wichtiger Aspekt, um einen einheitlichen und hohen Qualitätsanspruch an Rechenzentren gerecht zu werden. Zukünftig kommt es zunehmend auf die Qualität der Planer, Hersteller, Rechenzentrumserrichter und -betreiber an. Wir stehen hier vor einem Paradigmenwechsel, was beispielsweise auch der Wechsel zu natürlichen Kältemittellösungen zeigt. Im Mittelstand wird oft auf die Normen referenziert, aber über die Schlagworte hinaus ist die Norm oft in den IT- oder Technikabteilungen nicht bekannt und relevant. Anders sieht es natürlich aus, wenn Planer in Projekte mit eingebunden sind. Unsere Erfahrung zeigt, dass ein gut geplantes Projekt sehr häufig viele Probleme der Umsetzung bereits im Vorfeld löst.

LANline: Personalmangel ist derzeit eines der Kennzeichen der Branche. Wie geht Schäfer IT-Systems damit intern um?
Wermke: Selbstverständlich spüren wir den Mangel an Fachkräften. Dies macht auch vor einem Unternehmen wie Schäfer nicht halt. Ob zur Aufrechterhaltung der eigenen IT oder zum Wachstum, Personal ist nicht an jeder Ecke zu finden. Hinzu kommt, dass wir im Westerwald nicht unbedingt zu den attraktivsten Regionen in Deutschland gehören. Vor allem die nachfolgende Generation stellt hier zunehmende Ansprüche an die Arbeitgeber. Wir versuchen hier, die Fachkräfte im eigenen Haus auszubilden und im Anschluss zu fördern und zu entwickeln. Des Weiteren nutzen wir die neuen Möglichkeiten des mobilen Arbeitens, um die Fachkräfte aus Deutschland für uns zu gewinnen und zu begeistern.

LANline: Gibt es ausreichend Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen?
Wermke: Das ist schwer zu beurteilen. Es gibt sicher einige recht erfolgreiche und bekannte Akademien, die etwa Zertifizierungsworkshops anbieten. Wir nutzen oft Partner, mit denen erfolgreich Projekte umgesetzt wurden. Mit diesen werden dann individuelle Schulungsprogramme zu Normen und Richtlinien aufgesetzt. Dies ist uns sehr wichtig, da auch dem Hersteller, also auch Schäfer IT-Systems, eine wichtige Rolle zufällt, da wir vor allem im RZ Umfeld vor einem Paradigmenwechsel in Richtung Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz stehen. Unsere Erstberatung beim Kunden kann wegweisend für den Bau eines RZs und der technischen Lösung sein. Wenn wir sowohl technisch wie auch kaufmännisch gut ausgebildet sind, stellen wir einen echten Mehrwert für unsere Kunden dar.

LANline: Was unternimmt Ihr Haus in dieser Frage?
Wermke: Wir setzen auf Inhouse-Schulung. Gerade aktuell haben wir alle Kollegen im Vertrieb, aber auch der Konstruktion und des Produkt-Managements auf die EN50600 geschult. In drei Workshops haben wir auch Konzepte aus aktuellen Kundenanforderungen bewertet und Lösungen erarbeitet. Es geht uns darum, die Anforderungen und Herausforderung der Kunden zu verstehen, aber auch um das
an unsere Produktentwicklungsprozesse. Schäfer IT-Systems ist kein Planer oder Errichter von Rechenzentren. Diese Entscheidung haben wir bewusst getroffen, was auch den Respekt und die Anerkennung der RZ-Planer und RZ-Errichter widerspiegelt.

LANline: Braucht die Branche einen Ausbildungsberuf RZ-Techniker oder einen RZ-Ingenieur?
Wermke: Einen eigenständigen Ausbildungsberuf kann man diskutieren, interessanter wäre aber zum Beispiel ein Masterstudium oder Fortbildung für TGA-Ingenieure oder alternativ eine Technikerausbildung auf einer entsprechenden Ausbildung im Bereich Elektro- oder Klimatechnik. Die Basis ist die Elektro- oder Kältetechnik, deshalb ist aus unserer Sicht eine aufbauende Ausbildung sinnvoller, anstatt das Rad neu zu erfinden.

LANline: Wie soll man junge Menschen – dediziert auch junge Frauen – für die RZ- und Infrastrukturbranche gewinnen?
Wermke: Die RZ-Branche wird leider oft stiefmütterlich behandelt, da für viele der Bewohner, also die IT, im Vordergrund steht und die Hülle, also die Infrastruktur, als gegeben hingenommen wird. Es ist wichtig zu vermitteln, dass ohne fundierten Unterbau kein stabiler IT-Betrieb möglich ist und dies die Voraussetzung für eine Digitalisierung ist.

LANline: Herr Wermke, vielen Dank für das ausführliche Gespräch.

 

Das veröffentlichte Interview finden Sie in der LANline Ausgabe 07/22 (S. 17-19) oder hier.

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